Vertrauen und Struktur – Erfolgreiche Arbeit im Home Office hängt von verschiedenen Faktoren ab

Professor Dr. Matthias Weiß ist Professor für Innovationsmanagement an der Ruhr-Universität Bochum und wissenschaftlicher Leiter unseres Programms “Chief Innovation Manager“. Wir haben ih zu Vor- und Nachteilen und wichtigen Bedingungen der Arbeit im Home Office befragt.

Heute möchten wir gerne etwas über Ihre Einschätzung zu Heimarbeit erfahren. Haben Sie Tipps für die Arbeit im Home Office?

Erst einmal ist es wichtig, sich Struktur zu schaffen, wenn man sie nicht vorgegeben bekommt, was ja in vielen Fällen – gerade im erzwungenen Home Office –tatsächlich der Fall ist. Also es kann natürlich gut sein, dass ich einen Arbeitsplatz habe, der bisher zwar nicht im Home Office angesiedelt war, ich aber eine natürliche Struktur aus meinen Aufgaben heraus habe. Das ist beispielsweise so, wenn ich im Vertrieb tätig bin und ich ständig Telefonate oder E-Mails von Kunden erhalte. Dann muss ich nicht viel ändern, wenn ich das jetzt von daheim mache, habe ich diese Struktur natürlich vorgegeben. Oder wenn mir meine Führungskraft eine bestimmte Aufgabenliste gibt, die ich dann abarbeiten muss daheim, dann ist das kaum ein Unterschied im Vergleich zur Arbeit im Büro. Es ist aber so, dass viele Berufe diese natürliche Strukturierung nicht haben. Das ist bei meinem Beruf ganz vordergründig der Fall, da wir quasi uns selbst die Aufgaben definieren und auch durchführen. Da ist es natürlich wichtig, dass man sich selbst eine Struktur schafft. Dass man sich ein Meeting einstellt, bis zu dem bestimmte Aufgaben erledigt werden müssen oder, dass man sich eine Liste schreibt, was abgearbeitet werden muss, um eine Struktur in den Arbeitstag zu bringen.  Ansonsten ist es vor allem auch wichtig, ein ordentliches Arbeitsumfeld zu schaffen. Ich kenne viele Personen aus meinem privaten Umfeld, die müssen jetzt im Home Office arbeiten und die haben, weil sie einfach nie zuvor im Home Office gearbeitet haben, gar nicht die Infrastruktur. Es macht keinen Sinn, wenn ich an einem Mini-Laptop sitze und mit der Laptop-Tastatur arbeite und auch sonst viel zu wenig Platz habe und gar nicht die Voraussetzung für die Arbeit im Home Office. Das ist natürlich etwas, wo eigentlich auch der Arbeitgeber ein stückweit mithelfen müsste, entsprechend Ausstattung zur Verfügung zu stellen, um eine ordentliche Infrastruktur zu schaffen. Aus Gesprächen mit betroffenen Personen, hat sich das für mich als größtes Problem abgezeichnet. Ganz zu schweigen von dem Problem, von dem ich auch betroffen bin und zwar ist das die schlechte Internetverbindung im Home Office. Wenn die Verbindung einfach nicht funktioniert, ist es schwierig, bestimmte Aufgaben zu erledigen.

Worauf müssen Führungskräfte achten, die ihr Team aufgrund der Krise von Zuhause aus führen müssen?

Was Führungstätigkeit von Teams angeht in geografisch verteilten Teams – so nennen wir das in der Forschung – kann man grundsätzlich sagen, dass die Aspekte, die dann wichtig sind für eine effektive Führungstätigkeit im Grunde die gleichen sind wie für Teams, die am gleichen Platz arbeiten. Allerdings wird die Führung wichtiger. Das ist ein Punkt, den wir ganz klar sehen. Und ein Punkt, der besonders wichtig wird, der deutlich stärker hervortritt, als wenn ich jetzt am gleichen Platz arbeite, ist gegenseitiges Vertrauen. Und zwar gegenseitiges Vertrauen nicht nur zwischen den einzelnen Teammitgliedern, sondern auch zwischen den einzelnen Teammitgliedern und der Führungskraft, dem Teamleiter. Und dementsprechend hat sich in früherer Forschung – wir haben schon lange vor der Coronakrise zu geografisch geteilten Teams geforscht – gezeigt, dass zwei besonders wichtige Faktoren der Teamführung herausstechen. Wie gesagt das Vertrauen, dass ich bereit bin, meine Führungstätigkeit nicht primär auf Kontrolle der durchgeführten Tätigkeit zu beziehen, sondern eher davon ausgehe, dass die Leute aus Eigenverantwortung ihre Aufgabe ordentlich erfüllen wollen und dann eher versuche, eine gewisse Motivation zu schaffe. Sodass die Mitarbeiter auch Anreize sehen, wenn sie nicht kontrolliert werden können, sich an die Vorgaben zu halten und auch Aufgaben ordentlich zu erledigen. Das zweite ist, was wir Shared Leadership nennen in der Forschung. Das heißt, dass nicht die gesamte Führungstätigkeit auf eine Person konzentriert ist, die dann irgendwo an einem Standort sitzt und die anderen müssen tun, was diese eine Person sagt. Sondern, dass hier im Team eine gewisse Verteilung vorliegt, dass jedes Teammitglied ein stückweit führt und geführt wird zur gleichen Zeit. Dass hier eine gegenseitige Verantwortung besteht – sowohl darin, die anderen zu unterstützen, als auch die anderen ein stückweit zu kontrollieren und dass hier nicht nur alles auf den Teamleiter abgewälzt wird. Und wenn Teams in der Lage sind, diese geteilte Führung tatsächlich zu leben und auch gegenseitiges Vertrauen an den Tag zu legen, dann sind diese geografisch geteilten Teams meistens auch sehr effektiv. Ist das nicht der Fall, hat sich in der Forschung zumeist gezeigt, dass die geografisch geteilten zumeist weniger effektiv waren als die kollektierten Teams.

Wo sehen Sie Vor- und Nachteile der Heimarbeit aus für die Entwicklung von Innovationen?

Das ist ein stückweit Geschmacksache. Es gibt da einfach unterschiedliche Neigungen, wie stark man sich von Dingen Zuhause ablenken lässt, wie zum Beispiel, dass das Geschirr gespült werden müsste, dass die Wäsche gemacht werden müsste, und wie tolerant der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin ist, um das auch auszuhalten, dass das nicht gemacht ist. Das ist natürlich sehr individuell verschieden. Im Prinzip hat alles Vor- und Nachteile. Wenn wir jetzt versuchen, generell mehr getrennt zu arbeiten, führt das auf jeden Fall erst einmal zu mehr Effizienz (wenn die Leute jetzt nicht diese Schwäche haben, sofort das Geschirr abspülen oder die Wäsche machen zu müssen). Aber gerade, wenn wir von Innovation reden, ist es wichtig, dass die Kommunikationskanäle trotzdem offen bleiben, weil diese „Störungen“, die wir während der Arbeitszeit haben, können zum einen rein privater Natur sein – das ist dann quasi wie eine kleine Pause, in der man darüber spricht, was man vielleicht am Wochenende oder am Abend zuvor gemacht hat. Das ist dann für die Ergebnisse gesprochen nicht so schlimm, wenn das wegfällt. Dann würde ich einfach früher Feierabend haben, weil ich meine Aufgaben früher erledigt habe. Allerdings sind solche Gespräche nicht nur privater Natur, sondern manchmal sind es auch ganz informelle Dinge, über die man sich unterhält, wie man vielleicht etwas besser machen kann oder wie man vielleicht bestimmte Prozesse, Produkte oder andere Dinge einfach anders gestalten könnte. Das ist dann schon ein relativ zentraler Bestandteil oder ein relativ zentraler Nährboden für Kreativität und Innovation, weil aus solchen informellen Gesprächen häufig tatsächlich sehr gute Ideen resultieren, die ohne solche Gespräche nicht zustande gekommen wären.

Gibt es denn Möglichkeiten, auch im Home Office solch eine Kreativität und Innovation zu schaffen?

Es gibt so viele digitale Tools wie Slack oder Zoom. Wenn ich die Kommunikationskanäle offen lasse und mich vielleicht sogar institutionalisiert für eine Kaffeepause verabrede, dann habe ich weiterhin genau diesen Effekt der informellen Gespräche. Gleichzeitig kann ich aber, wenn ich wirklich mal konzentriert arbeiten muss, auch konzentriert arbeiten. So kann ich vielleicht ein bisschen das Beste aus beiden Welten miteinander vereinbaren und deswegen ist es wichtig, hier nicht nur auf die Effizienz zu schauen, sondern auch auf das, was darum herum passiert. Und wichtig ist auch, dass man sich daheim diese Pausen, die man sich im Büro genommen hätte, auch nimmt. Es gibt vielleicht Leute, die haben die Tendenz dazu, ohnehin eher viele Pausen zu nehmen daheim – das ist nicht das, um was es mir geht. Aber wenn jemand die Tendenz hat, einfach Sachen wegarbeiten zu wollen und sagt: „Ich mache das jetzt in sechs Stunden, was ich sonst in acht Stunden mache“, dann wird die Qualität der Arbeit ein stückweit nachlassen und vor allem auch, wenn es darum geht, etwas Neues zu entwickeln meine Kreativität nachlassen, weil man in der fünften Stunde ohne Pause nicht mehr so konzentriert und nicht mehr so fit ist, wie wenn man zwischendurch mal einen Kaffee getrunken hätte oder mal mit den MitarbeiterInnenn oder mit den KollegInnenn Mittag gegessen hätte. Also es ist immer wichtig, dass man weiterhin eine Balance findet und auch eine gewisse Institutionalisierung sozialer Interaktionen einbaut. Das sehe ich als sehr zentral, damit die Dinge, die jetzt nicht nur die ganz spezifische Aufgabenerledigung betreffen, nicht verloren gehen, weil sie auch sehr wichtig sein können.

Wie empfinden Sie selbst die Umstellung in der aktuellen Krise?

Ja, also für mich persönlich ist die Krise jetzt keine große Umstellung. Ich hätte in diesem Semester ohnehin Forschungssemester gehabt. Das heißt, dass ich ohnehin viel aus dem Home Office gearbeitet hätte. Das tue ich generell, wenn ich nicht in der Universität bin und Termine wahrnehme – gerade wenn es um Forschung und Publikationen geht. Daher ist für mich persönlich die Umstellung nicht so groß, wenn man mal davon absieht, dass die Situation jetzt natürlich eine andere ist: dass auch meine Frau im Büro neben mir sitzt, was ich mir nicht hätte vorstellen können bis vor einem Vierteljahr. Und, dass man natürlich auch viele Abstimmungen über digitale Kanäle machen muss, die man dann tatsächlich früher auch vor Ort gemacht hat. Die Universität an sich ist ja auch geschlossen, dementsprechend haben wir hier jetzt schon eine neue Realität. Das betrifft natürlich auch die Lehre, die jetzt komplett online ausgeführt wird.

Vielen Dank für das Interview.

Ich danke ebenfalls.