Seit ca. Mitte März befinden sich viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland im Homeoffice. Der Hashtag #stayinghome etablierte sich zunehmend in den sozialen Netzwerken und zur Eindämmung der Corona-Pandemie wurden schon vor neun Monaten ArbeitgeberInnen dazu aufgefordert, ihre MitarbeiterInnen ins Homeoffice zu schicken. Angesichts der negativen Entwicklung im Pandemiegeschehen hat das RKI vor einigen Tagen diesen Appell dringlich wiederholt: Um die Kontakte von Menschen untereinander zu reduzieren sollen bitte alle so weit wie möglich den Weg ins Büro meiden.

Große Aufgeschlossenheit gegenüber Homeoffice

Deutschland, das sich immer wieder Häme im Hinblick auf seinen Stand in der Digitalisierung gefallen lassen muss, hat auch vor 2020 eifrig über das Thema Homeoffice diskutiert. Die SPD hatte bereits 2019 über die Einführung des Rechts auf Heimarbeit nachgedacht, Umfragen zu dem Thema gab es zuhauf und Generation Y-ler zogen in die Arbeitswelt ein, mit dem hehren Ziel, sie grundlegend zu flexibilisieren und zu verändern. Während man meinen könnte, dass insbesondere die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine Motivation für die Arbeit aus dem Homeoffice sein könnte, zeigt sich, dass der Wunsch nach einem flexiblem Arbeitsort weitgehend unabhängig vom Familienstand besteht (vgl. Wilkens, S. 131). Während sich vor der Krise viele ArbeitnehmerInnen durchaus vorstellen konnten, dann und wann im Homeoffice zu arbeiten, wurde nur wenigen diese Möglichkeit gewährt (Rund 12 %, vgl. Wilkens, S. 131). Der berühmte deutsche Präsentismus setzte sich trotz Erkenntnissen über steigende Produktivität und Mitarbeiterzufriedenheit im Zusammenhang mit Heimarbeit weitgehend fort. Eindrucksvoll sind Anekdoten darüber, wie ArbeitnehmerInnen weit nach Feierabend noch das Licht im Büro brennen lassen, um Anwesenheit vorzutäuschen, während sie längst Besorgungen machen oder z.B. im Fitnessstudio sind.

Prof. Dr. Uta Wilkens, Arbeitswissenschaftlerin an der Ruhr-Universität zufolge liegen diesem Festhalten am Präsentismus “ein Bündel institutionalisierter, unhinterfragter und sich in der Folge selbst reproduzierender und verstärkender Praktiken der Arbeitswelt, durch die bestehende Strukturen und Herrschaftsverhältnisse manifestiert werden” zugrunde (Wilkens, 132). Präsenz am Arbeitsplatz wird in unserem Arbeitsmarkt traditionell mit Loyalität und Leistungsbereitschaft gleichgesetzt. Zudem kommt hinzu, dass sowohl das Management als auch in vielen Unternehmen die Interessensvertretung einen verminderten Zugriff auf die eigenen MitarbeiterInnen fürchten. Betriebs- und Personalräte führten in der Vergangenheit auch immer die Entgrenzung von Arbeitszeiten, sowie die ungesunde Verquickung von Lebens- und Arbeitswelt ins Feld. Nach so vielen Monaten ohne direkten Kontakt mit den eigenen Kolleginnen und Kollegen können sich jedoch auch Gefühle von Einsamkeit einstellen, die Qualität der Zusammenarbeit kann unter fehlenden Face-to-Face-Kontakten leiden. Vor der Corona-Krise waren die BefürworterInnen von Homeoffice davon überzeugt, dass die gewonnene Zeitautonomie diese Nachteile ausgleichen könnte. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sich diese angenommenen Konzepte von Homeoffice auf Teile der Arbeitszeit bezogen, die ausschließliche Arbeit von zu Hause wird eventuell noch andere negativen Auswirkungen haben, die erst noch untersucht werden müssen.

Entlastung von PendlerInnen

Neben der Zeitautonomie ist die Reduktion von Pendelzeiten ein nicht zu unterschätzender Vorteil von Arbeit, die von zu Hause stattfindet. Laut eines Artikels im Spiegel vom 06.02.2020, als das Covid-19 noch nicht zur Pandemie ausgerufen worden war, pendelten damals 6 von 10 ArbeitnehmerInnen zur Arbeitsstätte. Hierbei bezieht sich die Definition des Pendlers lediglich auf ArbeitnehmerInnen, die ihre Gemeinde für die Fahrt zur Arbeit verlassen. Sogenannte Binnenpendler, die innerhalb von Großstädten wie Berlin oder München durchaus auch auf Arbeitswege von über 1 Stunde Fahrtzeit kommen, werden dabei nicht einmal mit eingeschlossen. Der nicht unerhebliche Zeitaufwand, sowie der damit verbundene Stress von Staus, verpassten und verspäteten Bahnen wird durch die Arbeit vom heimischen Schreibtisch umgangen. Die ArbeitnehmerInnen können diese gewonnene Zeit einerseits für die Arbeitsaufgaben aufwenden, andererseits haben sie vor allem mehr Freizeit zur Verfügung. Dass diese in dem vorherrschenden Lockdown manch einem nicht besonders wertvoll erscheint, steht auf einem anderen Blatt. Die hinzu gewonnene Zeit und der Aufenthalt im eigenen zu Hause kann auch dabei helfen, häuslichen Verantwortungen z.B. in der Mittagspause nachzukommen, was wiederum den Stress in der übrigen Freizeit reduzieren kann.

Eine zentrale Aufgabe, sowohl der Arbeitswissenschaft, wie auch der Wirtschaft selbst, wird sein, Lehren aus den Erfahrungen dieser Pandemie zu ziehen. Mithilfe grundlegender Analysen, Diskussionen und Reflektionen haben jetzt sowohl die Wissenschaft, als auch der Mikroorganismus eines KMUS die Aufgabe, belastbare Modelle für die Integration von Homeoffice in den Arbeitsalltag auch nach Corona zu etablieren, die im Optimalfall die Zufriedenheit aller Beteiligten fördert.