Holocaust und koloniale Gewalt in der Erinnerungskultur

Nicht erst mit der documenta 15 ist die Frage nach dem Stellenwert von Antisemitismus in postkolonialen Theorien und Bewegungen in das Zentrum der deutschen Feuilletondebatten gerückt. Hintergrund der häufig mit verhärteten Fronten und harten Bandagen geführten Debatten, ist dabei die Frage nach dem Verhältnis der Ermordung der europäischen Jüd*innen durch das nationalsozialistische Deutschland zu Ereignissen kolonialer Gewalt, aber auch zum Wesen der kolonialen Gewalt selbst. So provozierte der australische Historiker Dirk Moses im Mai 2021 mit der These, in Deutschland werde die Rede von der Singularität des Holocaust missbraucht, um die Erinnerung an die vielfache Verstrickung Deutschlands in Akte kolonialer Gewalt zu unterdrücken. Zugleich führe die Singularitätsthese dazu, dass der globale Westen auf eine einseitige Solidarität mit dem Staat Israel festgelegt werde und der „koloniale Charakter“ der israelischen Politik gegenüber den Palästinenser verkannt werde.

Die Debatte führt an Fragen heran, die den Kern nicht nur der deutschen Erinnerungskultur selbst betreffen: Wie steht es um die Frage der Vergleichbarkeit von Ereignissen kollektiver Gewalt? Bedeutete ein Vergleich zugleich stets auch eine Relativierung? Wie ist es um die Bedeutung von Kolonialismus und kolonialer Gewalt in der deutschen Erinnerungskultur bestellt? Welches Erbe tragen postkoloniale Theorien und Bewegungen?

Das Seminar zielt darauf, Sicherheit in der Debatte zu gewinnen und Perspektiven zu erarbeiten, mit denen Fragen des Vergleichs zwischen Holocaust und kolonialen Formen von Gewalt in der Schule aufgearbeitet werden können: einerseits ohne eine Gleichsetzung von Antisemitismus, Rassismus und Kolonialismus, andererseits ohne eine Relativierung der Aufgabe, dass das „koloniale Erbe“ einen Ort in der Erinnerungskultur haben muss.

Das Seminar findet als eintägige Präsenzveranstaltung statt und ist in thematisch und methodisch diverse Lerneinheiten untergliedert. Den Teilnehmer*innen wird die Möglichkeit eröffnet, eigene Erfahrungsinhalte zu thematisieren und in kollegialer Beratung zu erörtern.

Zielgruppe:
Lehrkräfte der Sekundarstufen 1 und 2 der einschlägigen geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächer aller Schulformen

Ihre Dozent:innen:
PD Dr. Kristin Platt: Leiterin des Instituts für Diaspora- und Genozidforschung, Sozial- und Kulturwissenschaftlerin.
Dr. Medardus Brehl: Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Diaspora- und Genozidforschung, Literaturwissenschaftler und Historiker
Dr. Lasse Wichert: Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Diaspora- und Genozidforschung, Komparatist und Politikwissenschaftler

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